Ursli Pfister – was gibt es Neues bei den Ge-schwistern Pfister, und wie bekommt man SOLCHE schönen Beine?
Christoph Marti ist geboren und aufgewachsen in Bern. Nach ersten Theatererfahrungen am Theater 1230 in Bern und einem einjährigen Auslandsaufenthalt in Texas, USA, studierte er an der Schauspielabteilung des Konservatoriums für Musik und Theater Bern. Erste Engagements hatte er am Stadttheater Bern und am Stadttheater Freiburg im Breisgau, gefolgt von einem zweijährigen Anfängerengagement am Schillertheater Berlin und mehreren Stückverträgen an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz. Christoph Marti arbeitet seit 1991 freischaffend als Schauspieler, Sänger, Regisseur und ist Mitbegründer und künstlerischer Leiter der Gruppe Die Geschwister Pfister.
Frauenheilkunde aktuell: Liebe Ursli (oder soll ich lieber Christoph sagen?)
Christoph Marti: Was Dir lieber ist, ich höre beides gern.
Frauenheilkunde aktuell:Verrate mir ein Geheimnis – wie bekommt man soooooo schöne Beine und den perfekten Gang auf 15 cm High-Heels hin?
Christoph Marti: Das hab ich schon als Kind gekonnt. Ein hoher Schuh macht ein wohlgeformtes Bein, dass das so ist, habe ich sehr früh festgestellt. Keine Ahnung, warum mir das so gar keine Mühe gemacht hat, nie. Kunstturnen und später Yoga haben mich vielleicht ein gutes Gespür für Gleichgewicht entwickeln lassen. Das eigentliche Geheimnis ist aber wohl die Kraft, die in meinen muskulösen Waden steckt, und die habe ich von meinem Vater.
Frauenheilkunde aktuell:Die Geschwister Pfister haben eine neue Produktion in Berlin, Cindy und Bert. Ich habe phantastische Bilder dazu gesehen – um was geht es, und bis wann spielt Ihr wo?
Christoph Marti: Die Show heisst „So, als ob du schwebtest“ und wir spielen sie bis 5. Januar 2020 für neun Wochen ensuite in Berlin im Tipi am Kanzleramt. Wir lassen darin die grosse Samstagabend-TV-Show der 1970er Jahre wiederaufleben. Im Zentrum stehen Cindy & Bert mit ihrer Musik. Es gibt aber auch ein Fernsehballett, einen Chor, gesungene und getanzte Werbung und natürlich die Musik von Jo Roloff und seiner Band.
Frauenheilkunde aktuell:Habe mal gehört, wie jemand zu einem Theaterkollegen gesagt hat, was für einen tollen Beruf er hat, jeden Tag frei und nur abends auf der Bühne. – Wie sieht es mit der Arbeitsbelastung der Geschwister im Moment aus – wie viele Stunden arbeitet Ihr so im Durchschnitt?
Christoph Marti: Das lässt sich gar nicht recht sagen. Im Moment geht es uns gut und wir haben eine recht angenehme Dispo. Die neue Show ist seit zwei Wochen raus und wir spielen sie sechs Mal pro Woche. Das heisst, wir können uns tagsüber tatsächlich schonen und uns die Energie für die Vorstellung am Abend aufsparen. Vor der Premiere sah das natürlich anders aus. Dadurch, dass wir alles selber produzieren, finanzieren und inszenieren und ausserdem auch noch zusammen leben, ist es fast unmöglich, die Arbeit vom privaten Sein zu trennen. Das ist, besonders in Endproben zu so einer grossen Produktion, dann manchmal schon echt heftig. Da stossen wir an unsere Grenzen.
Frauenheilkunde aktuell:Wie findet Ihr bei so einem Pensum Ruhe und Erholung, Zeit und Kraft für Eure unglaubliche geballte Kreativität?
Christoph Marti: Ruhepol Nummer eins ist für mich unsere Wohnung, in der wir seit 30 Jahren zusammen leben. Berliner Altbau, hohe Decken, herrschaftliche Räume. Ich wohne leidenschaftlich gern. Auch Hausarbeit wie Kochen, Putzen, Waschen und Bügeln mache ich gern, das ist für mich Ausgleich. Ich jogge jeden zweiten Tag eine Stunde, gleich nach dem Aufstehen. Bei jedem Wetter, ich muss darüber gar nicht nachdenken, es gehört für mich einfach dazu. Ich habe keinen Führerschein und fahre deswegen viel Fahrrad. Und wenn es sich irgendwie machen lässt, fahren mein Mann und ich im Winter in die Schweiz, ins Berner Oberland zum Skifahren. Die letzten zwei Jahre war es beruflich bedingt nicht möglich, leider. Aber heuer geht es wieder, es dauert auch gar nicht mehr lang.
Frauenheilkunde aktuell:Wie siehst Du die Zukunft von Theater, Kabarett und generell Live-Anlässen im Kontext der zunehmend digitalisierten Unterhaltung? Gibt es da noch einen Platz?
Christoph Marti: Letzte Woche war in Berlin im Admiralspalast ein Auftritt von Maria Callas – als Hologramm. Mit großem Orchester, das live dazu gespielt hat. Ich war nicht da, aber ein guter Freund von mir hat es gesehen und war gleichzeitig fasziniert und irritiert. Ich denke nicht gross darüber nach, was das für mich und meinen Beruf bedeutet. Ich werde immer auf der Bühne stehen, weil das mein Ding ist. Ich drehe nicht, ich gehe auch nicht ins Fernsehen, ich gehöre live vor ein Publikum. Und das mache ich, so lange es geht. Oder, wie Bette Davis gesagt hat: „As long as I can carry my beauty case.“
Frauenheilkunde aktuell:Das führt mich zu meiner nächsten Frage – wie sieht denn so die Altersstruktur Eures Publikums aus – ich nehme an, Ihr führt sicherlich detaillierte Statistiken J?
Christoph Marti: Unser Publikum ist mit uns älter geworden, das ist ganz eindeutig der Fall. Allerdings gibt es jetzt in unserer neuen Show auch immer wieder junge Leute, die die 1970er Jahre nicht miterlebt haben und die überhaupt keine Ahnung haben, wer Cindy & Bert gewesen sind, die sich aber genauso amüsieren darüber. Das ist sehr erfreulich zu sehen.
Frauenheilkunde aktuell: Unter Geschwistern gibt es ja manchmal auch Krach; bei den Geschwistern Pfister habe ich immer den Eindruck von Harmonie, Witz und Zusammengehörigkeit – wie schafft Ihr das?
Christoph Marti: Wir haben uns über die Jahre eine extrem gut funktionierende Streitkultur angeeignet. Bei uns fliegen nicht selten die Fetzen, der Ton kann sehr schnell sehr scharf werden. Genauso schnell beruhigen und versöhnen wir uns dann aber auch wieder. Ich empfinde das als einen großen Luxus, sich in der Arbeit so gut zu kennen, dass man ganz direkt miteinander umgehen kann und sich nicht schonen oder irgendwie höflich zueinander sein muss. Es ist schon in Ordnung, die Spielregeln zu kennen. Aber das heisst nicht, dass man sie immer und unbedingt befolgen muss.
Frauenheilkunde aktuell:Wann werden wir Dich oder Euch wieder auf Schweizer Bühnen sehen können oder gar in Bern?
Christoph Marti: Wir kommen im Mai/Juni des kommenden Jahres mit unserer Produktion „Die Rache der Fledermaus“ für fünf Wochen ans Bernhardtheater in Zürich. Wir haben das Stück im letzten Herbst schon im Casinotheater in Winterthur gespielt, dort haben es aber nicht genug Leute gesehen. Jetzt freuen wir uns, dass es in Zürich nochmal ausgiebig Gelegenheit dazu geben wird. Ab August kommen mein Mann und ich dann für die Produktion „Paradise City“ ans Theater Bern. Darauf freue ich mich ganz besonders, denn Bern ist meine Heimat und das Berner Stadttheater in meinen Augen das schönste Theater auf der ganzen Welt.
Frauenheilkunde aktuell:Wie gehst Du mit Lampenfieber um – oder gibt es so etwas bei Deiner Bühnenerfahrung gar nicht mehr?
Christoph Marti: Lampenfieber kenne ich eigentlich nur von Premieren, wenn um einen herum wirklich nur noch Schwarz ist – respektive aus der Phase der Endproben. Da kann es einen plötzlich schlagartig überfallen und es kann sehr, sehr unangenehm sein. Für solche Fälle gibt es aber Techniken, die man sich aneignen kann – Meditation, progressive Muskelrelaxation – und mit deren Hilfe man dagegen vorgehen kann, mit sehr gutem Ergebnis. Ich bin natürlich trotzdem sehr angespannt und fokussiert vor einer Vorstellung, aber mit Lampenfieber hat das dann nichts mehr zu tun. Meistens freue ich mich und bin mir meiner Sache sicher. Auf dem Weg von der Garderobe zur Bühne kommt mir fast immer ein Satz von Therese Giehse in den Sinn, den ich für solche Situationen sehr passend finde: „Na, dann wollen wir den Herrschaften mal was bieten.“
Frauenheilkunde aktuell: Welche Themen sind für Dich so aktuell, dass sie unbedingt mal auf der Bühne sichtbar gemacht werden müssen?
Christoph Marti: Wir beschäftigen uns in den Eigenproduktionen der Geschwister Pfister eigentlich immer dem selben Thema, nämlich dem Showbusiness, dem Geschäft mit dem Schein, in all seinen vielfältigen Formen. Da mischt sich das Schöne mit dem Schlimmen. So denke ich beispielsweise viel nach über den Zusammenhang von Schlager und Suizid. Im Showgeschäft geht es immer um die Oberfläche, auf sie werden die Wünsche, Träume und Sehnsüchte projiziert. Wie es den Protagonisten dabei geht, sogar die Frage, wer sie sind, spielt dabei keine Rolle. Es geht nur um die Behauptung, wie etwas (auch) sein könnte, müsste oder vielleicht einmal war. Und das interessiert mich weit mehr, als zu sagen, wie etwas ist.
Frauenheilkunde aktuell:Natürlich bist Du blutjung und dieses Wort ist für Dich in weitester Ferne – aber gibt es so etwas wie ein Rentnerdasein als Geschwister Pfister oder ist das ausgeschlossen?
Christoph Marti: Was wir in ein paar Jahren als Rente kriegen werden, wird auf keinen Fall reichen. Aber ich habe ja bereits erwähnt, dass wir am liebsten immer weiter arbeiten wollen, so lange es eben geht. Entscheidend wird vor allem sein, wo wir das tun. Für unsere selbstständige Arbeit ist Berlin das Mekka, hier können wir unsere Eigenproduktionen oftmals monatelang spielen, ensuite. Ich würde aber gerne eines Tages wieder in die Schweiz zurückziehen. Am liebsten nach Bern, in das Haus meiner Eltern an der Brückfeldstrasse. Wir würden dann immer noch arbeiten, mein Mann und ich, aber vielleicht einfach nicht mehr so viel. Samstags gehen wir vormittags auf den Märit und abends essen wir auf der Veranda zusammen eine kalte Platte.
Frauenheilkunde aktuell:Wen oder was möchtest Du am liebsten mal spielen?
Christoph Marti: Vor ein paar Wochen kam ein ehemaliger Intendant, der selber viel als Regisseur und Schauspieler gearbeitet hat, in unsere Vorstellung von „Roxy und ihr Wunderteam“ an der Komischen Oper in Berlin. Wir haben uns danach im Foyer unterhalten, er hatte grosse Mühe mit dem Stück und meinte zu mir: „Christoph, du musst schauen, dass Deine Rollen in den nächsten Jahren mehr Substanz bekommen.“ Ich bin sofort dazwischengegangen und musste ihm sagen, dass das bei mir so nicht läuft. Ich habe keinen Plan, ich verfolge keine Strategie, ich folge ausschliesslich meinem Herzen und traue meinem Instinkt. Ich beschäftige mich keinen Moment mit meinem Image, es interessiert mich null. Alle die wunderbaren Rollen, die ich in den letzten 20 Jahren gespielt habe, habe ich geschenkt bekommen. Dolly, Sylvia Varescu, Daisy Parker, Clivia, Roxy, Rosalinde, Zaza, Zizi und wie sie alle heissen. Und als Geschenk behandle ich sie auch, jede einzelne. Ein anderer Regisseur kommt mir in den Sinn, mit dem ich vor dreissig Jahren am Schillertheater gearbeitet hatte. Er kam immer wieder zu mir und meinte zu mir: „Christoph, du musst männlicher werden.“ Dieser Rat, wenn auch gut gemeint, war ein Scheissdreck wert, das war mir damals schon klar. Er entsprang einem heteronormativen Theaterverständnis, das mir damals schon sehr schwach auf der Brust schien. Ich habe mich dann auch bald darauf aus dem Staub gemacht und meinen Vertrag an dem Theater gekündigt. Es wurde kurze Zeit später vom Berliner Senat geschlossen. Heute ist es ein Gastspielort und dient als Ausweichspielstätte für andere Berliner Theater, die saniert werden müssen. Ich spiele dort ab März 2020 unter der Regie von Katharina Thalbach die Lauren-Bacall-Rolle der Miss Hubbard in der Bühnenfassung von Agatha Christies „Mord im Orient Express“. Der Regisseur von damals ist leider in der Zwischenzeit verstorben und wird also nicht dabei sein können, wenn ich auf der Schillertheaterbühne mein nächstes, neues Geschenk auspacke.
Frauenheilkunde aktuell: Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und bedanke mich herzlich für dieses Interview!