Riskieren wir eine Nase?
Im letzten „Persönlich“ habe ich bereits kurz von der Reise, die mich an verschiedene Stationen auf der Welt geführt hat, berichtet. Die letzte Station war Singapur, eine Mischung aus Moderne, Exotik und Sauberkeit, die mich fasziniert hat.
Ich hatte Gelegenheit, mit unserem ehemaligen Gastarzt JJ die Frauenklinik, die beeindruckende Gebärabteilung und natürlich die Urogynäkologie zu sehen.
Am Abend wollten wir essen gehen, JJ’s Frage, wohin es gehen soll, war für mich klar: So original Singapur wie nur möglich. Die nächste Frage war, wieviel Exotik ich vertragen kann, meine Antwort aber ebenso klar: Soviel Exotik wie möglich.
Tja …
Drinks – der obligatorische Singapore Sling –, Vorspeise mit scharfen Kuttel-Küchlein und süsser Sauce, Hauptspeise mit gebratenem Huhn, aromatisch gewürztem Reis und pikantem Gemüse war alles sehr gut, auch wenn ich die Ingredienzien in der Schweiz vermutlich schlichtweg verweigert hätte.
Dann aber kam das Dessert. Ich als ohnehin Dessert-Skeptiker habe JJ wählen lassen, er wählt für uns alle eisgekühlte Stinkfrucht, auch als Durian bekannt, auf Gefrorenem mit anderen Früchten.
Zuerst das Eis. Mit Milch gemischt und gefroren lasse sich die Stinkfrucht oder Durian am leichtesten probieren, weil die Kälte den Geruch dämpfe. Haha. Das Eis sieht nach Vanille aus, wird in Singapur an jeder Ecke verkauft.
Mein Reiseführer empfiehlt, sich beim Essen die Nase zuzuhalten, aus Pietätsgründen verzichte ich darauf.
Dies war wohl ein Fehler. Der Fäulnisgeschmack breitet sich in Sekundenschnelle auf der Zunge aus, obwohl ich nur eine Teelöffelspitze probiert habe. JJ und seiner Verlobten schmeckt es bestens, kritische Blicke auf mich lassen ahnen, dass bei Ausländern die Reaktion auf die Stinkfrucht fulminant sein kann. JJ und seine Verlobte geniessen das Dessert in vollen Zügen, berichten aber auch von Besuchern, die sich beim ersten Mal Durian-Essen übergeben mussten – ich kann es durchaus nachvollziehen. Der Geschmack lässt sich nicht herunterspülen, auch mit Alkohol nicht. Schnaps und Durian sind nicht miteinander vereinbar und verursacht offenbar Kreislaufprobleme.
Durian bedeutet offenbar Liebe auf den dritten Biss; man sagt, wer aus Europa kommt, muss Durian dreimal probieren, bevor man die Stinkfrucht geniessen kann. Soweit werde ich es sicher nicht kommen lassen, zu tief sitzt dieser erste Eindruck.
Wie schmeckt nun Durian??? – Schwer zu beschreiben.
Irgendwie so, wie sie riecht: übel!
Wenn Sie mal in asiatischen Läden einen muffigen, fauligen, penetranten und schweren Geruch wahrgenommen haben, ist es genau das: Der Geruch der Stinkfrucht. Animiert so gar nicht zum Essen.
Sir Stamford Raffles, der als der Gründervater von Singapur gilt, erteilte vor 200 Jahren den Ratschlag, sich sofort die Nase zuzuhalten und wegzulaufen, sobald man Durian riecht, ich kann dem durchaus zustimmen.
Es ist in Asien verboten, die Stinkfrucht in öffentlichen Verkehrsmitteln zu transportieren, selbst wenn sie in mehreren Schichten Plastik verpackt ist und gut verschlossen. In Singapur gibt es eine fette Geldstrafe, wenn man im Bus mit Durian erwischt wird. Ich kann das nur unterstützen.
JJ isst das gesamte Stinkfrucht-Dessert auf, bei mir verbleibt ein äusserst unguter Geschmack im Mund, den ich nicht nochmal möchte, es wird also für mich kein zweites oder drittes Mal geben, ganz sicher nicht.
Nach dem Essen gehen wir noch in eine Bar, JJ muss aufstossen nach der Überdosis Stinkfrucht. Gäste an benachbarten Tischen suchen irritiert nach verdächtigen Mülltüten, ohne diese zu finden.
Fazit: Danke, JJ, exotisches Essen ist sehr willkommen, Durian wird aber sicherlich nie mehr auf meinem Speiseplan stehen!