Was ich schon immer mal sagen wollte: Die Relativität von Zeit, OP-Hosen und wahrer Grösse …
Haben Sie Einsteins
Relativitätstheorie wirklich verstanden? Also, ich glaube das jedenfalls für
mich nicht.
Vielleicht hilft mir meine aktuelle
Reise dabei.
Ich besuche aktuell in verschiedenen Teilen der Welt meine ehemaligen Kollegen,
mit denen ich gemeinsam in London im St. George’s bei Stuart Stanton im Bereich
Urogynäkologie ausgebildet worden bin. Die sind dann – so wie ich – wieder in
ihre jeweiligen Länder zurückgegangen und haben dort jetzt ähnliche Positionen
wie ich inne.
Der Gedanke, die Kollegen zu besuchen, ist durch das sogenannte
„Dienstaltergeschenk“ von meinem Arbeitgeber, dem Inselspital, unterstützt
worden, mit dem ich extra Ferien in diesem Jahr habe und damit extra
Möglichkeiten.
Die Planung wird gemacht, die Kollegen angeschrieben, der Reiseplan sieht die
Stationen New York, Edmonton (Alberta, Kanada), San Diego, Hobart (Tasmanien),
Fidschi und Singapur vor.
Auf die fachlichen und anderen Inhalte dieser Reise werde ich in einem späteren
Beitrag nochmal zurückkommen, im aktuellen Beitrag geht es mir um die
Relativität.
Beginnen wir mal mit der Zeit; ich benutze den Ausdruck „Zeit ist sehr relativ“
häufig, auf meiner Reise erfahre ich praktisch, welche Auswirkungen diese
Relativität hat.
Es geht immer westwärts; als jetlag-geplagter Mitmensch vertrage ich das
irgendwie besser, habe ich mir irgendwann mal gemerkt.
Das ist auch diesmal so. Der Jetlag ist erträglich, nur wenige Symptome, alles
gut.
Auf dem Weg von Kalifornien nach Tasmanien erfahre ich am eigenen Leibe die
Relativität der Zeit: Ich starte am 20., komme am 22. des Monats an – hurra,
alles gut gegangen, ABER: der 21.8.2019 hat für mich leider NICHT
stattgefunden, ist durch das Überschreiten der Datumsgrenze nicht existent,
einfach weg. Bin ich jetzt einen Tag jünger geworden? Der Blick in den Spiegel
bestätigt das leider nicht. Der 21.8. bleibt weg und kommt nie wieder, Albert
hatte recht.
Noch ausgeprägter zeigt sich die Relativität bei OPKleidung, den sogenannten
„scrubs“. In Bern ist es klar, ein klassisches „S“ wie small, keine Frage,
schweizweit erprobt, kann man drauf zählen. In Kanada werde ich im OPS nach
meiner Grösse für die scrubs gefragt, woraufhin ich „S“ sage, ist doch klar,
oder? Nicht ganz. Das kanadische „S“ reicht mir bis knapp über die Patella, die
Ärmel gehen gut für dreiviertellang durch. Naja …
Dadurch schlauer geworden bestelle ich in San Diego ein „XS“, ignorierend, dass
die Kalifornier zumeist sehr gesundheits- und ernährungsbewusst sind. XS kneift
irgendwie und ist unbequem. San Diego ist übrigens der Ort, in dem die
OP-Kleidung durch einen automatisierten Roboter, der genau zählt, wieviel man
bestellt und abholt, aber vor allem wieder zurückgegeben hat, kontrolliert
wird.
Tasmanien – schaue ich mir die Leute hier auf der Strasse an, sehen sie recht
normal gebaut aus. Wir bestellen – mit Erfolg! – das gewohnte „S“ und sind
damit sehr zufrieden. Hier ist übrigens auch der Tragekomfort sehr gut, die
Beine müssen nicht 3× umgeschlagen werden wie in Kanada und Kalifornien und
alles ist perfekt.
Fidschi – ich hätte es eigentlich wissen müssen. „S“ geht gar nicht,
Kindergrösse, wir landen hier bei einem „L“ wie large; wie peinlich. Die Hosen
sind selbst in dieser Elefantengrösse immer noch ein wenig kurz, obwohl ich
kein langbeiniges Exemplar bin.
Wir kommen zum Schluss zur sogenannten „wahren Grösse“: In Kanada und Amerika
habe ich mich angesichts der mich umgebenden Kollegen wie ein Zwerg gefühlt, in
Tasmanien so wie in der Schweiz, in Fidschi bin ich im Team die Grösste J. Sehr
ungewohnt, nicht unangenehm, habe den Eindruck, dass ich schnell den Überblick
gewinne.
1. Albert hatte recht, alles ist relativ, die Zeit jedoch dokumentiert sicherlich.
2. Auch OP-Kleidungsgrössen sind sehr relativ und können für mich von XS bis L variieren, je nach Land, in dem man sich befindet. Diese Relativität empfinde ich als sehr störend, werde ich doch entweder mit rutschender, zu langer Kleidung konfrontiert oder kneifender Plastikkleidung, die meine Konzen tration stört.
3. Wahre Grösse … naja. Die drückt sich sowieso nicht in Zentimetern aus .