Forum – Knochengesundheit und endokrine Therapie beim Mammakarzinom

Frakturgefährdung unter Therapie mit Aromataseinhibitoren

Circa 80 % aller Mammakarzinome sind hormonempfindlich und werden daher mit einer antihormonellen Therapie behandelt. Seit einigen Jahren haben hier die Aromataseinhibitoren (AI) den ehemaligen Goldstandard Tamoxifen bei der postmenopausalen Patientin verdrängt. Im Nebenwirkungsprofil der AI muss der Entwicklung einer Osteoporose – neben anderen typischen Nebenwirkungen wie Arthralgien/Myalgien und klimakterischen Beschwerden – besondere Beachtung geschenkt werden.

In den verschiedenen Studien, die Anfang des Jahrtausends zum Vergleich von Tamoxifen mit den verschiedenen AI (Letrozol, Anastrozol, Exemestan) durchgeführt wurden, konnte klar gezeigt werden, dass jeder AI mit einem signifikant erhöhten Frakturrisiko im Vergleich zu Tamoxifen einhergeht. Eine Subgruppenanalyse der ATAC-Studie zeigte, dass keine Patientin mit normaler Knochendichte unter fünf Jahren Therapie mit Anastrozol eine Osteoporose entwickelte, bei 53 % stellte sich jedoch eine Osteopenie ein. Bei Patientinnen, die zu Beginn der AI-Therapie jedoch schon osteopen waren, entwickelte sich bei 15 % eine Osteoporose [1]. Der Krebstherapie-induzierte Knochendichteverlust (CTIBL) erfolgt schneller als der natürlich eintretende (s. Abb. 1). Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, gehen alle hormonablativen Therapien mit einer Beschleunigung des Knochenverlustes einher. Daraus resultiert ein erhöhtes Risiko für Frakturen und frakturbedingte Mortalität [2–6].

Bisphosphonate und Denosumab

Verschiedene Studien konnten klar zeigen, dass sowohl Bisphosphonate als auch Denosumab den AI-bedingten Knochenabbau verhindern [7–9].

Die Wirkweise beider Substanzklassen ist verschieden. Bisphosphonate binden an den Knochen und werden von Osteoklasten resorbiert, die damit ihre resorptive Funktion verlieren. Dieser Prozess ist irreversibel. Im Gegensatz dazu bindet der Antikörper Denosumab den Rank-Liganden (RANK-L), der von Osteoblasten gebildet wird und blockiert damit die Osteoklasten-Bildung und -Funktion. Dieser Vorgang ist reversibel.

Zur Frakturprophylaxe unter endokriner Therapie mit einem AI sind also sowohl Bisphosphonate als auch Denosumab geeignet und werden von verschiedenen Fachgesellschaften empfohlen (ASCO, AGO Organgruppe Mamma). Während zur Behandlung der Osteoporose beide Substanzklassen kassenzulässig sind, ist das bei vorliegender Osteopenie mit weiterem Risikofaktor – wie er durch die Einnahme eines AI besteht – nur für Denosumab der Fall. Für die Verabreichung eines Bisphosphonats braucht es also in dieser Indikation eine Kostengutsprache der Krankenkasse. Es wurde daher in der Praxis in den letzten Jahren häufig Denosumab eingesetzt. Neuere Daten zeigen nun, dass dem Rebound-Phänomen nach Absetzen von Denosumab grössere Beachtung geschenkt werden muss. Da der Wirkmechanismus auf einer reversiblen Hemmung des RANK-L beruht, kommt es nach Absetzen von Denosumab zu einem Knochendichteverlust auf mindestens den Ausgangswert vor der Therapie (s. Abb. 2). Eine retrospektive Auswertung der ABCSG-18-Studie zeigte, dass Patientinnen nach Denosumab-Stopp ein signifikant höheres Risiko für klinische Wirbelfrakturen und multiple klinische Wirbelfrakturen hatten als Patientinnen, die Placebo gestoppt hatten [10]:

• klinische Wirbelfrakturen 39 vs. 14 Frakturen in 22 vs. 9 Patientinnen, HR 2.44 (1.12,5.32)

• multiple klinische Wirbelfrakturen (28 vs. 8 Frakturen in 11 vs. 3 Patientinnen, HR 3.52 (0.98,12.64)

Auch wenn die Frakturrate gesamthaft nur bei knapp 1 % lag, ist diese Nebenwirkung relevant, und die Patientinnen, die Denosumab erhalten, müssen darüber aufgeklärt werden.

Wie vorgehen?

Bei allen Patientinnen sollte zu Beginn einer endokrinen Therapie mit einem AI eine Knochendichtemessung durchgeführt werden. Selbst bei normaler Knochendichte wird die regelmässige Einnahme von Calcium und Vitamin D3 empfohlen (empfohlene Tagesdosis: 1000–1500 mg Calcium, inkl. diätetisches Calcium; 800–2000 IE Vitamin D3). Eine Wiederholung der Knochendichtemessung sollte unter Therapie alle zwei Jahre erfolgen. Seit 01.07.19 werden die Kosten dafür von den Krankenkassen übernommen.

Im Falle einer Osteopenie kommen sowohl Denosumab (Prolia 60 mg s.c. alle sechs Monate) oder die verschiedenen Bisphosphonate in Frage. Dabei ist zu beachten, dass nur Prolia kassenzulässig ist. Zoledronat 5 mg i.v. einmal jährlich sowie Risedronat p.o. sind die einzigen Bisphosphonate, die eine Zulassung zur Prävention haben. Jedoch benötigt man hier eine Kostengutsprache der Krankenkasse.

Im Falle des Vorliegens einer Osteoporose kommen alle genannten Substanzen in Frage. Solange Patientinnen unter einer laufenden Prolia-Therapie stehen, sind sie vor AI-induzierten Frakturen geschützt. Nach Beendigung der antihormonellen Therapie sollte geprüft werden, ob Prolia gestoppt werden kann und soll bzw. wie bei einer Beendigung der Therapie fortgefahren werden sollte. Es gibt erste Konsens-Vorschläge, wie beim Absetzen einer Therapie mit Prolia vorgegangen werden soll [11]. Kurz zusammengefasst, sollte erneut eine Knochendichtemessung erfolgen und auch die Knochenumbaumarker Osteocalcin, P1NP und bCrosslaps bestimmt werden. Je nach Ergebnis wird für ein bis zwei Jahre eine Bisphosphonat-Therapie empfohlen (s. Abb. 3).

Die Substitution mit Calcium und Vitamin D3 sollte auf jeden Fall weitergeführt werden.

Auch bei den Bisphosphonaten ist eine gewisse Vorsicht geboten. Bei langjährigen Therapien besteht ein zunehmendes Risiko für atypische Frakturen. Somit sollte auch diese Therapie regelmässig überdacht werden [12].

Osteoprotektive Therapie und Prognoseverbesserung des Mammakarzinoms

Für die Bisphosphonate ist es zwischenzeitlich nachgewiesen, dass sie bei postmenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom zu einer signifikanten Verbesserung des Brustkrebs-spezifischen Überlebens beitragen können. In der EBCTCG-Metaanalyse [13] lag der absolute Benefit bzgl. des brustkrebsspezifischen Überlebens bei 3.3 %. Der Nutzen war grösser bei Frauen mit höherem Rückfallrisiko. In dieser Analyse zeigte sich der Effekt unabhängig vom eingesetzten Bisphosphonat, wobei die meisten Daten für Zoledronat und Clodronat vorliegen.

Für Denosumab konnte bislang kein wesentlicher Effekt auf die Brustkrebsprognose nachgewiesen werden. Zwar wurde auf dem ASCO 2018 eine Follow-Up-Analyse der ABCSG-18-Studie vorgestellt, die eine signifikante Verbesserung des rezidiv-freien Überlebens zeigt [14], jedoch konnte die DCARE-Studie keinen Effekt von Denosumab auf das Überleben nachweisen [15].

Im Falle des Vorliegens eines Mammakarzinoms mit hohem Rückfallrisiko sollte man – unabhängig vom Ergebnis der Knochendichtemessung – den Einsatz eines Bisphosphonats erwägen, da hier nicht nur der präventive Knochenschutz, sondern auch ein potenziell signifikanter Effekt auf die Gesamtprognose erwartet werden kann.

Literaturangaben

1. Coleman, ASCO 2006 #511

2. Higano CS. Nat Clin Pract Urol. 2008

3. Eastell R et al, J Bone Miner Red 2006

4. Maillefert JF et al. J Urol 1999

5. Gnant MF et al. Lancet Oncol 2008

6. Shapiro CL et al. J Clin Oncol 2001

7. Gnant M et al. NEJM 2009

8. Wilson C., Eur J Cancer. 2018;94:70-78

9. Gnant et al., Lancet 2015; 386: 433-43

10. Pfeiler et al. ASBMR 2018

11. Lamy O. et al., Current Osteoporosis Reports 2019

12. Lloyd A et al. PNAS 2017

13. Early Breast Cancer Trialists‘ Collaborative Group (EBCTCG)

Lancet 2015; 386: 1353–61

14. Gnant et al. Lancet Oncol: 20:339–51

15. Coleman JCO 2018 36 (15 suppl) 501

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