Der Spezielle Fall

Sekundäres strahlenassoziiertes High-grade-Angiosarkom vier Jahre nach brusterhaltender Operation und Radiotherapie eines Mammakarzinoms

Bei einer 48-jährigen prämenopausalen Patientin erfolgte die brusterhaltende Therapie eines frühen lobulären, endokrin sensiblen Mammakarzinoms rechts (Erstdiagnose im 03/2013) mit Resektion der Sentinellymphknoten (SLN). Es folgten die adjuvante Radiotherapie der Restbrust und der Beginn einer endokrinen Therapie mit Tamoxifen. Im 08/2017 erhielt die Patientin eine komplementärmedizinische Injektionstherapie der rechten Brust zur Behandlung der verhärteten Operationsnarbe im Segmentektomiebereich. Danach kam es zu einer über sechs Monate nicht abheilenden Veränderung der Brust mit livider Verfärbung. Die weiteren Abklärungen mittels MRI und MRI-gesteuerter Biopsie ergaben die Diagnose eines sekundären, strahlenassoziierten high gradengiosarkoms.
 

Fallbeschreibung

Bei einer 48-jährigen prämenopausalen Patientin wurde im März 2013 die Diagnose eines frühen lobulären, endokrin sensiblen Mammakarzinoms rechts gestellt. Es handelte sich um ein Stadium pT1c pN0 cM0 G2 L0 V0 Pn0 R0 ER ++, PR ++, HER2 negativ, Ki 67 niedrig. Es erfolgte die brusterhaltende Therapie mit Sentinellymphonodektomie im Juli 2013. Danach fand von 08/2013–09/2013 die problemlose Radiotherapie der Restbrust mit 39,9 Gy sowie Boost vom Tumorbett mit 10x2 Gy, mit einer Gesamtdosis von 59,9 Gy, statt. Es trat hier ein Grad-I-Erythem mit trockener Desquamation auf. Im Anschluss wurde die endokrine Therapie mit Tamoxifen begonnen, die ersten drei Jahre unter Zugabe von GnRH-Analoga. Relevante Nebendiagnosen bestanden nicht. Die Familienanamnese war bezüglich Mammakarzinom und gynäkologischer Tumore unauffällig.

Im August 2017 erhielt die Patientin eine komplementärmedizinische Infiltrationstherapie der verhärteten Segmentektomienarbe mit Procain. Daraufhin trat eine persistierende livide, differentialdiagnostisch entzündlich imponierende Veränderung der Narbe mit zellulitischer Verhärtung über einen Bereich von 3 × 4 cm (Abb. 1–3) auf. Die Patientin wurde uns im 12/2017 zur Zweitmeinung überwiesen. Sonografisch bestand im genannten Bereich eine komplette Schallauslöschung. Eine initial durchgeführte Punchbiopsie der Haut ergab eine unspezifische Entzündung. Es erfolgte die zusätzliche Durchführung einer MRI-Untersuchung der Brust mit BIRADS-III-Befund rechts im beschriebenen Bereich (Abb. 4). Die Patientin entschied sich aufgrund des langen Verlaufes im Dezember 2017 für eine MRI-gesteuerte Biopsie (Abb. 5). In der histopathologischen Untersuchung konnte die Diagnose eines High grade-Angiosarkoms gestellt werden (Abb. 6/7). In der molekularpathologischen Untersuchung mittels FISH (Abb. 8) zeigte sich eine Amplifikation des MYC-Gens. Dieser Befund spricht für eine Assoziation des Angiosarkoms mit einer Radiotherapie. In einer ergänzenden Ganzkörper PET-CT-Untersuchung zeigte sich kein Hinweis für weitere Tumormanifestationen. Es erfolgte im März 2018 die weitere Behandlung in einem Sarkom-Zentrum mit en-bloc-R0-Resektion unter Entfernung der 5. und 6. Rippe und einer Thoraxwandrekonstruktion mittels GoreTex-Netz sowie gestieltem ipsilateralen myokutanen Latissimus-dorsi-Lappen.

Diskussion

Radiotherapie-assoziierte Angiosarkome der Brust sind Tumoren vaskulären Ursprungs mit einer Inzidenz von 0.04–0.2 % [1, 2]. Die Latenzzeit bis zum Auftreten eines sekundären Angiosarkoms liegt typischerweise bei ca. zehn Jahren nach Strahlentherapie, allerdings sind auch Fälle mit Auftreten nach sechs Monaten bis 20 Jahren nach Primärtherapie [3, 4] beschrieben worden. Radiotherapie-assoziierte Angiosarkome sind typischerweise wenig differenziert und aggressiv. Klinisch manifestieren sie sich durch livide Hauteffloreszenzen intraoder subkutan im Bestrahlungsgebiet. Die Diagnose wird meist im fortgeschrittenem Stadium (II–III) gestellt. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate von strahleninduzierten Angiosarkomen beträgt 27–48 % [5] und ist stark von der Ausdehnung des Befundes abhängig [6]. Metastasen bilden sich meist pulmonal, eine nodale Metastasierung ist möglich. Empfohlen wird eine chirurgische Resektion mit grossem Sicherheitsabstand [7, 8]. Die Wirksamkeit einer adjuvanten Chemotherapie ist unklar [9]. Bei einer Indikation zur Strahlentherapie ist die Gewebetoxizität nach Radiatio zu berücksichtigen, die hyperfraktionierte Radiatio scheint erfolgreich angewendet werden zu können [10]. Einen zusätzlichen Therapieansatz kann die regionale Hyperthermie durch Chemo- oder Radiosensibilisierung ermöglichen [11]. Die Anwendung eines komplementärmedizinischen Verfahrens hat hier ggf. zu einer verspäteten Diagnose beigetragen. Zusammenfassend muss bei unklaren flächigen rötlichen oder lividen Veränderungen der Brust neben einem inflammatorischen Mammakarzinom auch an ein Angiosarkom gedacht werden.

Referenzen

1. Erel E., Vlachou E., Athanasiadou M. et al., Management of radiation-induced sarcomas in a tertiary referral centre: A review of 25 cases. Breast. 2010; 19: 424–427

2. De Smet S., Vandermeeren L., Christiaens MR., et al., Radiation-induced sarcoma: Analysis of 46 cases. Acta Chir. Belg. 2008;108: 574–579

3. Travis EL, Kreuther A, Young T, et al. ,Unusual postirradiation sarcoma of chest wall. Cancer. 1976; 38: 2269–2273 

4. Chahin F, Paramesh A, Dwivedi A, et al., Angiosarcoma of the breast following breast preservation therapy and local radiation therapy for the breast cancer. Breast J. 2001; 7:120–123

5. Quadros CA, Vasconcelos A, Andrade R, et al. Good outcome after neoadjuvant chemotherapy and extended surgical resectio for a large radiation induced high grade breast sarcoma. Int. Semin Surg Onccol. 2006; 3: 18

6. Barrow BJ, Janjan NA, Gutmann H, et al., Role of radiotherapy in sarcoma of the breast – a retrospective review of the M.D. Anderson experience. Radiother Oncol. 1999; 52:173–178

7. Thissens KM, van Ginkel RJ, Suurmeijer AJ, et al., Radiationinduced sarcoma: A challenge for the surgeon. Ann Surg. Oncol. 2005; 12:237–245

8. AGO-Leitlinie: Guidelines Breast Version 2018.1D. https:// www.ago-online.de 415-417

9. Sheth GR, Cranmer LD, Smith BD, et al. Radiation-induced sarcoma of the breast: a systematic review. Oncologist 2012; 17: 405–418

10. Feigenberg SJ, Mendenhall NP, Reith JD, et al., Angiosarcoma after breast-conserving therapy: Experience with hyperfractionated radiotherapy. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2002; 52:620–626

11. Lindner, L.H., Angele, M., Dürr, H.R. et al. (2014). Systemische Therapie und Hyperthermie bei lokal fortgeschrittenem Weichteilsarkom. Chirurg, 85 (5), 398–403. http://doi. org/10.1007/s00104-013-2687-5

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